Ein Blick in die nahe Zukunft

Ein Blick in die nahe Zukunft – mit Lichtgeschwindigkeit

ein Kommentar von Robert Kurth

Wir beschreiben das Jahr 2050. Alle Schüler besitzen ein durch den Staat gefördertes modernes Tablet mit einer interaktiven 3D Eingabemaske, über welches sie aktiv am Unterricht teilnehmen können und darüber die Hausaufgaben lösen. Auf dem Gerät befinden sich alle nötigen Unterlagen, Stundenpläne und Schulbücher. Schwere Ranzen und Rucksäcke gehören der Vergangenheit an. Über das Tablet können sich die Schüler direkt über Chats und Videochats austauschen. In der Schule gibt es überall kostenlosen Zugang zur Kantine, AGs, Nachhilfe und natürlich WLAN.
Damit dies nicht erst 2050 Realität wird, arbeitet das Medienpädagogische Zentrum stets an der Weiterentwicklung der Schulstandards – zumindest aus Sicht der IT. Die Kantine können wir leider (noch) nicht beeinflussen.

Aber auch die beste, neuste und teuerste IT benötigt eine gute Internetanbindung. Was nützt es sonst, wenn neben einem 800€ „super-duper“ WLAN Access Punkt ein altes 64k ISDN Modem für die Internetanbindung knattert. Auch wenn an dieser Stelle einige Schulleiter und Schulleiterinnen schmunzeln und an die aktuelle Situation in ihrer Schule erinnert werden.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat eine Studie durchgeführt und veröffentlicht, aus der hervorging wie gut die Schulen in Deutschland an das Breitbandnetz angeschlossen sind. In Sachsen galten 43,5% der Schulen als unterversorgt. Mit Stand von Ende 2019 war nur ein Viertel aller Schulen in Sachsen mit mehr als 50 Mbit/s angebunden. „Hören Sie das ISDN Modem im Hintergrund knattern?!“
Leider betrifft dies nicht nur die Schulen. Auch im wirtschaftlichen bzw. industriellen Umfeld, sowie bei Privathaushalten sind wir keine Spitzenreiter in der Breitbandanbindung und wenn wir ehrlich sind, erkennen wir auch nur am Horizont in ganz weiter Ferne das Mittelfeld. Um dem entgegen zu wirken eröffnete der Bund ein Förderprogramm zu Versorgung sogenannter „weißer Flecken“. Die Stadt Leipzig bzw. das Amt für Wirtschaftsförderung bezieht insgesamt ca. 23 Mio. EUR bis voraussichtlich Mitte 2023 aus diesem Fördertopf, für den Breitbandausbau in Leipzig der bislang unterversorgten, nicht wirtschaftlich erschließbaren Stadtgebiete. 

Es folgte eine Ausschreibung der verschiedenen Gebiete und Stadtteile. Den Zuschlag der Ausschreibung der Schulen (sog. LOS3) zur Planung, Errichtung und des Betriebes eines Glasfasernetzes erhielt die Bietergemeinschaft, bestehend aus Netz Leipzig und HLkomm. Seither läuft die Baumaßnahme und bindet Tag für Tag weitere Schule an das der Bietergemeinschaft erstellte NGA-Netzwerk an. Dabei werden wie vereinbart bestehende Leitungen, Trassen und Kanäle mit einbezogen und verwendet. Durch Horizontal-Spülbohrverfahren oder Pressbohrung wird die offene Grabenbauweise so gering wie möglich gehalten. Leider kann man diese Bauweise nicht ganz ausschließen, da spätestens am Mauerwerk des Gebäudes ein Loch zur Kabel- bzw. Rohreinführung gebohrt werden muss.

Die Schulen werden seit 2021 über dieses Vorhaben informiert. Zum Beispiel erreichte im März 2021 die Schulen ein Infobrief mit ausführlichen Informationen. Dieses Jahr wurden erneut noch alle ausstehenden Schulen über das Bauvorhaben und die daran beteiligten Firmen informiert. Immerhin sind es nur noch ca. 60 Schulen von ca. 150 Schulen, welche auf ihren Baubeginn warten. Wenige Tage vor dem Start werden die entsprechenden Schulen noch einmal telefonisch von den ausführenden Firmen darüber informiert, dass der Baubeginn kurz bevorsteht.

 

Licht ins Dunkle bringen
Der Glasanschluss wurde erfolgreich im Hausanschlussraum installiert. Und jetzt? Das ISDN Modem knattert immer noch hörbar. Im Idealfall hat die Schule bereits eine Modernisierung der Infrastruktur durch den DigitalPakt oder durch eine Baumaßnahme des Amtes für Gebäudemanagements erhalten und eine Querverbindung vom Hausanschlussraum zum Serverraum ist vorhanden. Sollte beides nicht der Fall sein, wird die Schule über einen separaten Auftrag abgewickelt und erschlossen.

Jetzt fehlt nur noch das Licht im Glasfaserkabel. Hierzu wurden Kosten kalkuliert und versucht das „Was-wäre-Wenn“ -Spiel so gut es geht zu durchdenken. Denn aufgrund der Vergaberichtlinien müssen die Verträge europaweit ausgeschrieben werden. Das heißt die Stadt kann nur eine grobe Kostenschätzung für die möglichen entstehenden monatlichen Kosten abgeben. Diese müssen erst einmal im Haushalt und letztendlich im Stadtrat per Vorlage bewilligt werden.

Weiterhin muss gut durchdacht werden, welche Bandbreite man an einer Schule zur Verfügung stellt. Wieviel wird benötigt. Was bringt die Zukunft? Um wie viele Klassen wächst die Schule noch? Wie viele internetfähigen Endgeräte besitzt die Schule bereits bzw. wie viele kommen noch hinzu? Werden auch alle gleichzeitig verwendet? All diese und viele mehr Fragen beschäftigen das MPZ seit mehreren Monaten, um die passendste und wirtschaftlichste Bandbreite zu ermitteln. Bei rund 175 Schulen im Stadtgebiet bewegen wir uns schnell in einer Kostenspannweite von 0 bis mehr als 1.000.000 EUR.
Alles steht oder fällt mit der Bewilligung der Vorlage zur Breitbandanbindung. Die Chance ist groß, dass diese bewilligt wird. Immerhin wäre dies ein riesen Sprung in die richtige Richtung. Nämlich weg vom knatternden ISDN Modem. Dieses ist natürlich nur symbolisch gemeint. Seit langem knattert kein Modem mehr in der Stadt Leipzig – oder etwa doch?